Frankfurter Rundschau (03. März 2005)

„Einzug ins Dramatische“

Ellen Klinghammer am Flügel im Stalburg-Theater

Wie eingefangen und zur Kunst verurteilt erscheint sie im blauen Bühnenlicht des Frankfurter Stalburg-Theaters. Sie setzt sich zurecht an einem schimmernden Flügel und fegt die Luft mit ihrem Pferdeschwanz. Zart wirkt sie, aber auch gewappnet mit Energie und Entschlossenheit. Ellen Klinghammer ist einer großen Zukunft versprochen. Bevor sie vehement zur Sache kommt, wünscht sie ihrem Publikum "einen wunderschönen Abend".

Dessen Motto lautet wunderbar zutreffend: "One voice - one piano". Ein lyrisch-expressiver, ständig dem Dramatischen aufwartender Sound überfällt die Zuhörer. Ellen Klinghammers Stimme klingt wie ein Achtungssignal der Gegenwart, während sich im aufragenden Flügel des Flügels das in Samt geschlagene Innenleben dekorativ spiegelt. Die Künstlerin hat eine Vorliebe für rhythmische Verschiebungen. Immer wieder unterwirft Klinghammer die Sprache dem Rhythmus. In diesen Zersetzungsprozessen entsteht Raum für akustischen Einfallsreichtum, oft melancholisch grundiert, manchmal brachial. Wenig wirkt improvisiert.

Den vorherrschenden Eindruck bestimmt ein kalkulierter Vortrag, der Einflüsse von Melanie bis Edie Brickell zielsicher einer gleichermaßen hinreißenden und reservierten Eigenständigkeit zuführt. Ellen Klinghammer verwandelt sich im Spiel zu der denkbar deutlichsten Person. Sie besingt die Comic-Heldinnen ihrer Kindheit, "Kinderzeit", sagt sie, und hält es soeben für möglich, dass man sich auch noch an die Achtziger erinnern könnte. Think verdankt sich "Gedanken, die einem zu viel werden". Es entstand, "um den Kopf freizukriegen". So äußert sich künstlerisches Selbstbewusstsein.

Die 25-jährige Frankfurterin mit einer nahezu klassischen Singer-Songwriter-Attitüde nimmt ihre Biografie als Material für Lieder. Für Launen entschuldigt sie sich bei ihrem Freund in Water and Cigarettes. Nonsens handelt von einer Dreiecksbeziehung; unwillkürlich fragt man sich, ob dem gehuldigten Freund dabei eine Rolle zukam. Als Erkenntnis ihrer frühen Jahre gibt die Künstlerin Folgendes zum Besten: "Es geht weder mit noch ohne den anderen." Das hört ein in der Einfühlung reglos gewordenes Publikum. Es teilt sich die Gewissheit, Ellen Klinghammer bald so leicht nicht mehr erreichen zu können.

Jamal Tuschick


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