motor.de, Juni 2006

Ellen Klinghammer - Die deutsche Fiona Apple?!

Es ist eher selten, dass man 2006 noch mit Musik konfrontiert wird, bei der man sich schwer tut, faktische Vergleiche zu ziehen oder einen bereits bestehenden Genre-Redelsführer ausfindig machen zu können. Ellen Klinghammer beweist auf ihrem Debütalbum 'Holly's Songs' nun, dass (musik-)journalistische Ratlosigkeit eigentlich immer der beste Indikator für gelungene Musik ist.

Nein, sie habe noch nicht woanders gewohnt, gesteht die 26-jährige Ellen Klinghammer. Sie wohnt noch immer auf dem ländlich-beschaulich in der Nähe von Frankfurt am Main. Die Ausläufer des Taunus um sich herum, fernab des hektischen Großstadtgefühls, das Frankfurt zumindest als aufgeblähte Pendlerstadt tagsüber zu vermitteln versteht, fernab der bankeigenen Wolkenkratzer, fernab der einst so Impuls gebenden und mittlerweile niedergegangenen Frankfurter Techno-Szene. Vielleicht liegt es genau an dieser Distanz, dass Ellen Klinghammer immer auf einen ständigen Begleiter in ihrem Leben setzte, statt im hektischen Trendeinerlei mitzumischen.

Im zarten Alter von sechs Jahren setzte sie sich zum ersten Mal an ein Klavier und von da an war es um sie geschehen. Sie bekam in den Folgejahren Musikunterricht, verlor allerdings - wie so viele Jungmusizierende - in ihrer adoleszenten Hochphase das Interesse an den im Unterricht vorgegebenen Richtlinien. Nichtsdestotrotz gibt sie das Klavierspiel nicht auf, sondern komponiert viel lieber selbst. Die sie damals von Außen beeinflussende Musik der mittleren Neunziger - der frühe Nu-Metal, aber auch dem damals so groß gewordenen Alternative - schlägt sich auch in ihrem filigran-düsterem Klavierspiel nieder. Ein ganz besonderer Klang, der sich durch die Songs auf 'Holly's Songs' zieht: "Die Musik hat damals natürlich ihre Spuren hinterlassen. Für Jazz habe ich mich damals nicht sonderlich begeistern können, mir war das immer zu verkopft - natürlich sehe ich das heute anders."

Ihre eigenen Stücke trug Ellen Klinghammer 1998 zum ersten Mal vor einem Publikum vor, seitdem ist die Aufmerksamkeit konstant gewachsen. Auftritte um Auftritte, die Liste der im Rhein-Main-Gebiet gegebenen Konzerte ist lang und liest sich durchaus vielseitig. Den musikalischen Rahmen zu Ausstellungen und Vernissagen liefert Ellen Klinghammer genauso gerne wie sie in den Kulturzentren der Vorstädte Frankfurts als auch in den Konzertsälen der Bankenstadt live aufspielt - als Support für Indie-Bands wie den Berlinerinnen von Britta oder die dänischen Under Byen.

Der Multi-Einsatzbarkeit als Support oder als Begleitung zum trotz, oder auch vielleicht gerade deswegen, fällt in den Konzertkritiken oft der Vergleich zur Musik von Tori Amos. In der Tat, auf den ersten Blick drängt sich der Vergleich vielleicht auf, immerhin verlassen sich beide auf das Zusammenspiel von Klavier, Stimme und (gerne auch einmal düsterer) Melodie. Doch der Vergleich hinkt, wie Ellen Klinghammer selbst betont: "Natürlich fällt öfter mal der Name Tori Amos, aber ich denke, das ist vielleicht eher etwas, was einem sofort ins Auge springt und den Vergleich vielleicht antreibt. Denn eigentlich klingen wir stimmlich und auch von unserem jeweiligen Klavierspiel sehr, sehr unterschiedlich. Und ganz ehrlich, die deutsche Tori Amo, will ich auch nicht sein!"

Wenn man denn Vergleiche ziehen will, dann vielleicht eher zur ebenfalls wie Tori Amos aus den USA stammenden Fiona Apple. Die zum großen Teil aus Klavierspiel, Percussion und Gesang bestehenden Songs werden von Fiona Apples eigener Plattenfirma als zu düster und unkommerziell eingestuft - was darin resultierte, dass ihr 2003 angekündigtes Album 'Extraordinary Machine' in einer zigmal überarbeiteten Version erst 2005 erschien - aber von den Kritikern hochgelobt. Ist Ellen Klinghammer zumindest klanglich quasi so etwas wie "die deutsche Fiona Apple"? "Schon eher!", freut sich Ellen Klinghammer.

Die Songs auf 'Holly's Songs' - eine kleine Verneigung vor Lou Reed, wie Ellen Klinghammer auf ihrer Homepage (www.ellen-klinghammer.de) verrät - weisen zumindest in Richtung Fiona Apple - womit die oben stehende (musik-)journalistische Ratlosigkeit erst einmal bei Seite gefegt wurde.

Auch in diesem Sommer stellt Ellen Klinghammer die Songs ihres Debütalbums vor, der nächste Termin ist am 17. September in Würzburg beim dortigen "Umsonst & Draußen - Festival".

Text: Heiko Reusch
auf
http://ellenklinghammer.motor.de/kuenstler/1302/biographie/Ellen_Klinghammer

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