Wiesbadener Kurier (17. Mai 2004)

"Ich singe, also bin ich"

Ellen und Band im Walhalla Studio Theater
Der Grand Prix war anderswo. Buhlten in Istanbul Sänger, Sängerinnen und alle, die man dafür halten sollte um die Gunst des Publikums, hatte dies eine junge Pianisten und Sängerin nicht nötig –und gewann doch: die Begeisterung all derer, die beschlossen hatte im Walhalla Studio Theater Ellen Klinghammer anzuhören. Begleitet von Cello und Schlagzeug, zieht die Vierundzwanzigjährige, die Musik als ihr „Zuhause“ bezeichnet, ohne jegliche Attitüden und nur kraft des musikalischen Ausdrucks das Publikum in ihren Bann. Ihre Stimme reicht dabei von flüsternd samtig bis kraftvoll rau. Das bloße Ausforschen des eigenen Stimmhorizonts ist jedoch ihre Sache nicht: Stets steht der Gesang im Dienste der Entäußerung. Große und kleine, immer aber persönliche Gefühle vermitteln die Erbärmlichkeit und die Großartigkeit des alltäglich Existenziellen.

Klinghammers Melancholie ist heiter, wild anmutende Einblicke in ihre Wirklichkeiten betten sich in einen sanften Kontext. Die Lust an der Kraft der Klavierakkorde streift bisweilen die Grenze zum Brachialen, kommt aber, bei aller Eigenwilligkeit, sofort wieder zurück zum schmeichelnd Unangestrengten. Ob Ellen Klinghammer Vokale mit Melismen unterlegt oder rein instrumental ein Patchwork-Stück aus motivischen Ideen spielt: Stets ist der Zuhörer fasziniert von der Klarheit und Selbstverständlichkeit bester Singer-Songwriter-Tradition. Christopher Herrmann setzt am Cello virtuos mit Fingern und Bogen Akzente. Souverän fungiert er als Gegenpart zum Klavier, um im nächsten Augenblick die Gesangslinie der Pianistin weiterzuführen, zu konturieren. Martin Standke am Schlagzeug streichelt die Snare-Drum, verstärkt die Kraft des Klaviers, verleiht passagenweise Nachdruck und ist musikalisch gleichberechtigter Partner auf der Bühne. Synkopen und Triolen dynamisieren die musikalische Ausgelassenheit. „Water and cigarettes“, „Duffer“, „I was about to let it happen“ oder „Sublime“, allesamt sind es Geschichten, die ihren Ursprung in der Erlebnisfähigkeit Ellen Klinghammers haben und Zeugnis ablegen von der Energie, die spürbar jedem einzelnen Stück zugrunde liegt. Die Liedzeile „I can`t get away from you“ ließe sich ebenso als Fazit von Ellen und Band verstehen.

Obwohl bisher nur eine Demo-Cd – mit der schlichten Titel „Demo“ – erschienen ist, hat sich Klinghammer bereits einen Namen gemacht. Auch wenn es sich aufdrängt, Vergleiche mit Tori Amos, Björk oder Norah Jones anzustellen, wird ihr das nicht gerecht. Ellen komponiert, textet, singt und spielt Klavier, als ließe sich für sie keine andere Tätigkeit vorstellen: Canto, ergo sum.

Corinna Spatz


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